BLKÖ:Slomšek, Anton Martin

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Sloczyński, Adalbert
Band: 35 (1877), ab Seite: 145. (Quelle)
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Slomšek, Anton Martin (Fürstbischof von Lavant, geb. in der Gemeinde Slom, Pfarre Ponikl, im Cilli’er Kreise der Steiermark, am 26. November 1800, gest. zu Marburg 24. September 1862). Seinen Namen Slomšek führt S. von dem Gehöfte, auf welchem er das Licht der Welt erblickte. Seine Eltern waren schlichte Landleute und da es dort keine Schule gab, unterrichtete der Caplan der nächstgelegenen Pfarre aus eigenem Antriebe einige Kinder. Der Vater wollte [146] einen Bauer aus seinem Sohne machen und so arbeitete derselbe zu Hause und im Felde, erst die unausgesetzten Bitten der Mutter und des Caplans hatten zur Folge, daß der damals bereits 15jährige S. nach Cilli in die Schule geschickt wurde. Dort war es der Lehrer Zupančic, der, durch und durch Slovene, auch seine Schüler in dieser Richtung führte, worin besonders Slomšek vor seinen Collegen sich hervorthat. In dieser Zeit starb S.’s Mutter, und es war nahe daran, daß der Vater seinen Sohn, dessen er bei der Arbeit im Hause dringend bedurfte, von der Schule abberufen hätte, aber sein einstiger Lehrer, der Caplan, bewahrte ihn vor diesem Geschick. Nach beendeten Gymnasialclassen ging er nach Zengg, wo er die Philosophie hörte und im Jahre 1821 trat er zu Klagenfurt in’s Seminar. Im September 1824 erhielt er die Priesterweihe, bald darauf trat er als Caplan zu St. Lorenzen in die Seelsorge und kam 1827 in gleicher Eigenschaft nach Neukirchen nächst Cilli. Bereits im Seminar wurde S. wegen seiner Kenntniß des Slovenischen von dem Seminars-Director bei dem Unterrichte der jüngeren Seminaristen verwendet und das dabei bekundete pädagogische Talent mochte wohl zunächst veranlaßt haben, daß er 1829 zum Spiritual im Klagenfurter Seminar ernannt wurde. Nun war S. in seinem Fahrwasser. An Hilfsmitteln für einen Unterricht in slovenischer Sprache fehlte es damals gänzlich. So mußte S. die Sache ganz von vorn beginnen und unter seiner unmittelbaren Leitung ließ er die Alumnen kleinere Geschichten und Fabeln in’s Slovenische übersetzen, welche er, als von den jungen Alumnen verfaßt, in fünf Heften gedruckt herausgab. Mehrere derselben erfuhren in kurzer Zeit wiederholte, eines die siebente Auflage. Und nun hatte das slovenische Volk einige gute Lesebücher in einer Sprache in Händen, in welcher bis dahin außer etlichen Andachtsbüchern nicht Lesbares vorhanden war. Da es zu seiner Zeit mit den Schulen auf dem Lande schlecht bestellt war, regte S. in den Alumnen den Gedanken an, sobald sie in die Seelsorge getreten waren, diesem Mangel an Schulen dadurch zu begegnen, daß sie an Sonntagen die Kinder aus den umliegenden Gehöften um sich versammelten und mit ihnen in der Muttersprache über Gegenstände des täglichen Lebens in belehrender und unterrichtender Weise sich unterhielten. Dieß ist der Ursprung der Sonntagsschulen in der bis dahin nahezu schullosen Lavanter Diöcese, welche während ihrer ein halb Jahrhundert langen Dauer unter dem Landvolke ihre wohlthätigen Folgen bald äußerten. Nach achtjähriger Wirksamkeit im Diöcesan-Seminar wurde S. Pfarrer in Saldenhofen, wo er bis 1844 seine segensvolle Wirksamkeit in Schule und Kirche fortsetzte. Darauf in das Domcapitel nach St. Andrä berufen, ward er daselbst mit der Oberaufsicht der Diöcesanschulen betraut. Zwei Jahre blieb S. in dieser Stellung. Im Jahre 1846 starb der Lavanter Fürstbischof Franz Xaver Kutnar[WS 1], von Geburt ein Krainer. An Kutnar’s Seite hatte Slomšek in der Diöcese gewirkt und den sehr kränklichen Fürstbischof auf das wirksamste in seinem oberhirtlichen Amte unterstützt. Durch Kutnar’s Schilderungen wurde die Aufmerksamkeit des damaligen Salzburger Erzbischofs Friedrich Fürst Schwarzenberg [Bd. XXXIII, S. 71][WS 2] auf Slomšek gelenkt, den überdieß persönlich kennen zu lernen und in seinem Schaffen unmittelbar zu beobachten der Erzbischof bei seinen eigenen Besuchen [147] der Lavanter Diöcese Gelegenheit gehabt hatte. Als nun Kutnar nach kurzer Regierung gestorben war, wurde Slomšek, der kaum erst von der ihm verliehenen Abtei Cilli Besitz genommen hatte, von Erzbischof Schwarzenberg, kraft des dem Salzburger Metropoliten zustehenden Ernennungsrechtes auf den bischöflichen Stuhl von Lavant berufen, den er durch 16 Jahre bis an seinen im Alter von 62 Jahren erfolgten Tod bekleidete. Dieß sind in Kürze die äußeren Umrisse eines dem Dienste des Herrn und der Menschheit geweihten Priesterlebens, das in solcher Reinheit. Vollkommenheit und segensvollen Wirksamkeit sich wohl selten wiederholen mag. Die Art und Weise aber, wie S. der Menschheit gedient, diese zu schildern, ist bei dem begrenzten Raume, der einem Menschenleben in diesem Lexikon gesteckt ist, nicht möglich. Hier können nur Umrisse gezogen werden, welche, wenn thunlich, den Geschilderten erkennen lassen, wer sich dann weiters unterrichten will, muß auf die Quellen gewiesen werden, die unten angegeben sind. Aus diesen Quellen muß aber die Charakteristik des Kirchenfürsten, welche die „Oesterreichische Revue“ brachte, vor Allem hervorgehoben werden, weil sie uns ein vollendetes Charakterbild des Verewigten zeichnet. Slomšek’s Wirksamkeit ist nach verschiedenen Momenten beachtenswerth: als Pädagog und als Priester, welche zusammenfallen, dann als Kirchenfürst, in welcher Eigenschaft er selbst der ihm nichts weniger denn sympathischen Politik näher tritt, endlich als Schriftsteller. Slomšek’s Wirksamkeit als Pädagog wurde schon im Vorstehenden nebenher berührt. Hier mögen ergänzende Bemerkungen folgen. S. war von Geburt ein Slovene, also Slave. Als solcher ein Freund seines Volkes, das sich, wie auch in seinen Ansiedelungen, zerrissen und über ferne Flächen zerstreut, doch seinen nationalen Typus und seine Sprache, diese freilich noch in einer wenig entwickelten Form zu bewahren verstanden hatte. Diese Sprache zu heben, zu veredeln, war die Aufgabe, welche sich der Priester-Pädagog Slomšek gestellt. Um das Volk, dem er durch Blut und Boden angehörte, geistig zu heben, mußte ihm die Heiligkeit und Erhabenheit des Wortes Gottes, das er als Meister verkündigen soll, in einem würdigen Gefäße vermittelt werden. Deßhalb wollte er die Sprache, in der er zum Volke redete, vollkommen in seiner Gewalt haben; sie über das Niveau der bisherigen rohen Umgangssprache, über welches sie sich bis dahin noch nicht erhoben hatte, emporheben und sie veredeln. Daran arbeitete er mit unermüdlicher Beharrlichkeit in verschiedensten Richtungen: so bereits als Alumnus im Seminar, wenn er seinen Collegen slovenischen Unterricht ertheilte, wie später als Spiritual in demselben, wenn er praktische Sprachübungen mit seinen Zöglingen vornahm, und als Schul-Oberaufseher der Lavanter Diöcese, als welcher er im Jahre 1846 das Jahrbuch „Drobtince“, d. i. Brosamen, gründete – ein Buch, worin nur solche Aufsätze und Mittheilungen enthalten sein sollten, „welche geeignet sind, die religiös-sittliche Bildung des Volkes im Allgemeinen und die Erziehung der Jugend insbesondere zu befördern, die Menschen zeitlich glücklich und ewig selig zu machen, sie zu wahrhaft frommen Christen und zu guten Bürgern des Staates heranzubilden“. Neben dieser Sorgfalt für die Muttersprache stellte er sich aber keineswegs feindlich zu der deutschen Sprache, welche die slovenischen Deutschenfresser gern aus [148] dem Sprachencodex streichen möchten. Im Gegentheile, allen Nationalitätenhader aus dem Innersten seiner milden Seele verabscheuend, wollte er die deutsche Sprache nicht nur nicht verbannt, sondern vielmehr emsig gepflegt wissen. So vertheidigte er muthvoll gegen exclusive Slovenen, die den toleranten Kirchenfürsten so gern in ihr Fahrwasser gezogen hätten, die zweisprachigen slovenisch-deutschen Volksschulen, und rief noch ein Jahr vor seinem Ableben seinem Clerus die denkwürdigen Worte zu: „Unsere Aufgabe ist nicht, andere Sprachen zu vertilgen, sondern unsere Muttersprache zu Ehren zu bringen“, und wenige Tage noch vor seinem Tode erklärte er feierlich vor den sein Sterbelager umstehenden Priestern: „Ich hasse das Idol der heidnischen Nationalität und verehre die natürlichen Charakterzüge jedes Volkes, somit auch die Muttersprache, als das erste Mittel seiner Bildung. Alle Extreme sind des Guten Feind, auch eine zu große Vorliebe für unsere Muttersprache, insofern sie auf Geringschätzung oder Vernachlässigung anderer in einem Lande nothwendigen Sprachen, bei uns der deutschen, fußt“. Und in der That hat Slomšek für Verbreitung deutschen Wesens unter den Slovenen mehr gethan, als viele eifrige Deutschthümler, und wenn Slomšek „Der Apostel der Slovenen“ und mit Recht genannt wird, so wurde er es namentlich dadurch, daß er ihnen deutsche und damit moderne Bildung vermittelt hat. Das aber genügte, daß ihn die nationalen Heißsporne im slovenischen Lager einen Abtrünnigen, einen Verräther an der angeblichen Nationalsache nannten! Soll doch thatsächlich von solchen fanatischen Zeloten irgendwo über Slomšek nach seinem Ableben buchstäblich der Psalm Miserere gesungen worden sein. Aber auch die Einseitigen unter den Deutschen haben sich an dem edlen Kirchenfürsten versündigt, indem sie ihn in Unkenntniß seiner Leistungen und die Aufgabe eines Seelsorgers verkennend, als Gegner ihrer Sache betrachteten, der er nie war. Hatte er doch so viele deutsche Predigten gehalten, seine Hirtenbriefe ebenso in deutscher, wie in slovenischer Sprache erlassen, die Exercitien mit seinem Clerus in einem und demselben Vortrage abwechselnd in deutscher, slovenischer und lateinischer Sprache durchgeführt und sich im geselligen Verkehre mit seinen Landsleuten immer ebenso der slovenischen wie deutschen Sprache bedient. Wie sehr er die deutsche Sprache kannte und liebte und seinen slovenischen Landsleuten ihre Meisterwerke zu vermitteln suchte, beweisen seine häufigen Uebersetzungen aus dem Deutschen, unter Anderen jene der „Glocke“ von Schiller. Was er aber als Pädagog in des Wortes eigenster Bedeutung war, davon mag die Liebe und kindliche Verehrung, womit Alt und Jung an ihrem Vater – er hieß allgemein „Der geistliche Vater“ (pater spiritualis) – hing, Zeugniß ablegen. Das beredteste bleibt aber doch die Thatsache, daß, als ein heißblütiger Südslave, dem Slomšek als Spiritual eine wohlverdiente Rüge ertheilt hatte, ihm voll Grimm zurief: „ich hasse Sie“, ihm Slomšek mit Ruhe und Milde erwiederte: „ich aber liebe sie“. Dieser, wir möchten fast sagen, evangelische Zug, kennzeichnet sicherer, als Worte es vermögen, Herz und Charakter dieses Priesters. Schwierig war Slomšek’s Stellung als Kirchenfürst, aber voll Segen auch in dieser seiner Wirksamkeit. Wie an Slomšek diese von ihm ungesuchte Kirchenwürde herankam, wurde bereits oben berichtet; wie er sie versah, [149] soll mit einigen charakteristischen Momenten seiner Wirksamkeit geschildert werden. Er lebte ganz für die seiner Leitung anvertraute Heerde, wirkte nur für sie mit und durch seinen Clerus. Nannte er sich doch selbst im Hinblick auf seine rein bäuerlichen Diöcesanen gemüthlich immer nur den „Bauernbischof“. So sparsam sein Bisthum dotirt war, rief er doch mit eigenen Opfern die wichtigsten kirchlichen Institute in’s Leben; führte die Pastoral-Conferenzen ein, doch nicht um den Priestern zu befehlen, was ihm eben in den Sinn kam, sondern um mit ihnen sich zu berathen, in zweifelhaften Fällen die Meinung einzutauschen, und nun das, „worauf die Mehrheit sich geeinigt, in Hinkunft als Norm gelten“ zu lassen. Im Anbeginn griff er, gleich Anderen, zu dem Neuerungsmittel der Missionen; als er aber den geringen Nutzen erkannte, ihm die Einwirkung fremder Priester auf das Volk bedenklich erschien, verzichtete er auf deren Berufung und zog mit mehreren sich freiwillig erbietenden Priestern selbst als Missionär in seiner Diöcese umher, das Wort Gottes verkündend, vor Allem die Armen und die wegen Mangels eines Sinnes am schwierigsten zu behandelnden (die tauben und blinden) Missionstheilnehmer für Predigt und Beichtstuhl sich vorbehaltend. Die Förderung der für den Priester wichtigsten Wissenszweige, wie Pastoral, Pädagogik, Kirchenrecht und namentlich Geschichte, welche er (in seiner Currende vom 19. December 1855) „Die Lehrmeisterin des Lebens, die Quelle unserer Rechte und Pflichten, die Lenkerin kommender Zeiten so gut für ganze Völker und Reiche, als für einzelne Orte, Familien und Menschen“ nennt, ließ er sich ernstlich angelegen sein, schrieb daher selbst mit Vorliebe historische Aufsätze für seine „Drobtince“ und führte in seiner Diöcese die pfarrlichen Gedenkbücher ein, für deren Anlage er genaue und zweckmäßige Instructionen ertheilte. Sein Bischofsamt sah er nicht für ein Residiren auf dem behaglichen Bischofssitze der Landeshauptstadt an, von welchem aus er seine unfehlbaren Anordnungen erließ. Auf Wanderungen in fernsten und steilsten Gebirgen suchte er persönlich seine zerstreute Heerde auf. Genau die Verhältnisse jeder Pfarrgemeinde kennend, sah er vor Allem nach dem, was zuerst noth that. Während seiner 16jährigen bischöflichen Amtsführung gab es kein Dorf in seiner Diöcese, das er nicht wiederholt besucht hatte. Aber auch wenige Kirchenfürsten erfreuten sich einer solchen herzlichen Liebe, wie sie S. von seinen Diöcesanen zu Theil wurde. Dieser echt apostolische, ebenso mit dem richtigen Tact wie mit Milde gepaarte Eifer war die Veranlassung, daß ihn der Cardinal Schwarzenberg zum apostolischen Visitator der diesseits der Leitha befindlichen österreichischen Klöster ernannte, sich ihn auch als Mithilfe zugesellte und ihm die Visitation der meisten Benedictinerklöster in Oesterreich, Steiermark, Salzburg und Tirol übertrug. Auch an die Durchführung einer längst geplanten, wichtigen kirchlich-topographischen Maßregel knüpft sich bleibend S.’s Name. Im Folgenden geben wir die lichtvolle Darstellung Hoffinger’s in dieser verwickelten Frage. Die Abgrenzung der an einander stoßenden Bisthümer Gurk, Lavant und Seckau, welche, wie jene von Brixen und Trient, zur Metropolie Salzburg gehören, stammte aus einer längst vergangenen Zeit und entsprach weder mehr den kirchlichen und socialen noch den politischen Verhältnissen der Gegenwart. Die Jurisdiction des in Gratz [150] residirenden Fürstbischofs von Seckau erstreckte sich nur über den Gratzer und den ehemaligen Marburger Kreis. Der letztere war mit Ausnahme der Stadt Marburg ebenso durchaus slovenisch, wie jener durchaus deutsch. Dazu kam aber, daß das von Kaiser Joseph für den Brucker und einen Theil des Judenburger Kreises errichtete Bisthum Leoben niemals besetzt, sondern vom Seckauer Bischof administrirt wurde. Im äußersten Nordwesten der Steiermark hatte auch das Salzburger Erzbisthum einige Decanate. Der Süden aber, der alte Cilli’er Kreis, mit durchaus slavischer Bevölkerung in 20 Decanaten stand unter dem Fürstbischof von Lavant, der zu St. Andrä im Lavantthale Kärnthens residirte und dem in dieser Provinz sechs, davon vier ganz deutsche Decanate untergeben waren, während die übrigen 18 deutschen Decanate des Landes unter der Jurisdiction des Fürstbischofs von Gurk in Klagenfurt standen. So fiel Steiermark unter vier Bisthümer, von denen zwei die Residenz in anderen Kronländern hatten und eines gar nicht besetzt war. Die Bischöfe von Lavant und Seckau hatten sprachlich getheilte Diöcesen; in der einen waren die Slaven, in der anderen die Deutschen in unverhältnißmäßiger Minderzahl, das mehrte nun die Schwierigkeiten für beide Oberhirten in der Führung ihres Amtes, in der Wahl der Priester. Dazu kam die Entlegenheit des Lavanter Stuhles in einem von allen Hauptstraßen entfernten Gebirgsthal an der äußersten nordwestlichen Grenze der Diöcese, wodurch es für Clerus und Volk gleich schwer wurde, mit ihren geistlichen Angelegenheiten, wie es oft so nothwendig ist, zum Bischofe zu kommen; endlich vermehrte die Beziehung dieses Letzteren zu zwei politischen Landesstellen die oberwähnten Uebelstände. Seit Jahrzehenden ward eine angemessene Umlegung der Diöcesan-Grenzen geplant. Aber kirchlicherseits die strenge Wahrung altbegründeter Rechtsverhältnisse ließ immer nicht die rechten Wege und Mittel finden, da sich bei Prüfung der verschiedenen Ansprüche, die nicht verletzt werden durften, die Schwierigkeiten nur steigerten. Und so blieb es immer nur beim guten Willen, obgleich die Nothwendigkeit einer Aenderung sich immer dringender herausstellte. Der damalige – seither verstorbene – Salzburger Metropolit Maximilian von Tarnoczy und sein Bischof Slomšek nahmen nun die Sache in die Hand, entschlossen, sie einem gedeihlichen Ende zuzuführen. Im Jahre 1853 wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen und im Jahre 1859 zog Slomšek in seine neue Kathedrale zu Marburg ein. Die Umschreibung der betreffenden Bisthümer war mit Genehmigung der höchsten weltlichen und geistlichen Regierung durchgeführt worden. Seckau hat seitdem eine rein deutsche Diöcese, die ehemaligen Kreise Gratz, Bruck und Judenburg; Gurk gebietet über ganz Kärnthen mit vorwiegend deutscher Bevölkerung; Lavant endlich nahm die Residenz in Marburg, gab seinen Kärnthner Antheil auf, erhielt dafür die Decanate des Marburger Kreises und hat nun eine bis auf einen Theil der Marburger Stadtbevölkerung ganz slovenische Diöcese in 24 Decanaten mit 415.500 Seelen und 500 Priestern, gegen die frühere Zahl von 332.500 Seelen mit 494 Priestern in 20 Decanaten. So waren drei Vortheile: der der einheitlichen Bevölkerung, der persönlichen Näherbringung des Bischofs und der einfacheren Beziehung zu nur einem Landes-Chef erreicht. Der Einzige, der dabei Opfer brachte, war Slomšek, der in seiner [151] früheren einfachen Residenz zu St. Andrä, das mitten in einer herrlichen Alpennatur gelegen, dem beschaulichen Kirchenfürsten mehr als anderes paßte, sich glücklich fühlte, da er von den Störungen, welche das gesellschaftliche Leben der Städte unvermeidlich mit sich bringt, unbeirrt ganz den Pflichten und Sorgen seines bischöflichen Hirtenamtes leben konnte. Das war in Marburg schon anders, und so äußert er sich hinsichtlich der ihm bevorstehenden Ortsveränderung: „Ein Trost, daß der Mensch nur ein Fremdling hienieden ist, sonst könnte man sich schwer vom schönen Lavantthale trennen“, und ein andersmal: „was uns in Marburg erwartet, wissen wir nicht; das Schöne des Lavantthales finden wir nicht. Wir hoffen dafür leichter zu sterben“. Was sein bischöfliches Verhalten gegenüber seiner Geistlichkeit betrifft, so war es vom Geiste der Milde beseelt, wie gegenüber Andersgläubigen von jenem der evangelischen Duldung. Einem Pfarrer, der seinen Caplan verklagt hatte, schrieb er: „Mein Bester, warum durchseihen sie Mücken und fangen Fliegen wie Maikäfer groß und das im Winter? Viel Lärmen um ein kleines Ding. Sie reden von Strafen, worin bestehen sie denn? Bin ich denn ein Strafbischof?“ Slomšek wollte fromme, bescheidene, aber zugleich fröhliche und heitere Priester. Er haßte den Pietismus, die Muckerei und das Zurschautragen der Demuth, was er im heiligen Zorn als „bucklige Demuth“ verdammte. Gegen Andersgläubige kam nie ein hartes Wort über seine Lippen. Den Protestanten die neue Freiheit gönnend, beanspruchte er dieselbe nur auch für die katholische Kirche. Brieflich äußerte er sich, daß er keineswegs an den Bestimmungen des Concordates hänge, und sich nicht ärgern werde, wenn es gelinge, eine Form zu finden, es ohne Rechtsverletzung zu modificiren, wenn nur dabei das auch dem Protestantenpatente zu Grunde liegende Princip kirchlicher Freiheit gewahrt werde. Gegen den Aberglauben trat er mit aller Entschiedenheit auf. Den großen Schaden, der daraus für Sitte und Sittlichkeit erwuchs, erkennend, litt er keine Spiegelfechterei, die dann von gewissenlosen Mystikern, meist aber Betrügern, ausgebeutet wurde. So wurde im Jahre 1851 in der Weitensteiner Pfarre die Nachricht von einer wunderbaren Erscheinung der Mutter Gottes auf einem Fichtenbaume verbreitet. Fürstbischof Slomšek wohl wissend, daß ein bloßes Verbot die Sache nicht beseitigen, sondern vielmehr steigern würde, ließ sofort die sorgfältigsten Erhebungen anstellen, die natürlich den ganzen Schwindel bloßlegten; nachdem dieß geschehen, veröffentlichte er das Ergebniß, knüpfte aber daran die Androhung der schwersten Kirchenstrafen für Jene, die nun, nachdem die kirchliche Autorität die völlige Grundlosigkeit jener Nachricht dargethan, es dennoch wagen würden, an derselben festzuhalten und was immer für Andachten damit zu verbinden. Mit seinem Clerus der – einige Heißsporne abgerechnet – an ihm mit aller Liebe und Verehrung hing und ihn in allen Nöthen, Kümmernissen und Zweifeln um Rath fragte, mit seinen Nachbarbischöfen, mit dem damaligen Cultusminister Leo Grafen Thun, der ihn wegen seinen Schulbüchern oft zu Rathe zog, und mit anderen Laien stand er unausgesetzt im lebendigen brieflichen Verkehr. Diese Correspondenz enthält so viele Perlen der herrlichen Sinnes- und Denkungsart dieses Kirchenfürsten, daß eine Veröffentlichung derselben, wenn auch nur in einer Auswahl, nicht blos seinen Freunden, sondern vom historischen Gesichtspuncte [152] in Anbetracht der Cultur-Entwicklung jener Gegend, in welcher er so segensreich gewirkt, erwünscht wäre. Sein sonstiges Verhältniß zur Staatsgewalt gibt sich nur in seiner Stellung als Mitglied des Herrenhauses des österreichischen Reichsrathes kund. Politik lag ihm ziemlich fern, sein bischöfliches Hirtenamt überhäufte ihn so sehr mit Geschäften, daß er von seinen parlamentarischen Rechten nur dann Gebrauch machte, wenn es die Berathung kirchlicher oder doch für die Kirche wichtiger Fragen galt. Slomšek war durchaus kein Politiker, weder Centralist noch Föderalist, sondern ein treuer Oesterreicher und als solcher[WS 3] ein würdiger Priester. Von der Kanzel schloß er alle Politik aus, nur in seinen apostolischen Mahnungen erinnerte er seine Döcesanen, gewissenhaft zu wählen. Als österreichischer Patriot empfand er ein schmerzliches Gefühl, ja gewissermaßen einen Abscheu gegen das „fortwährende Probiren in Oesterreich“, was den Staat statt zu stärken, in seinen Grundfesten erschütterte. Noch ist ein Gesichtspunct, unter welchem S. zu betrachten ist, als Schriftsteller. Slomšek schrieb in slovenischer Sprache, für die er aus Bildungs- und nicht aus politischen Gründen einstand. Als nach Erscheinen des October-Diploms mit dem Nationalitäts-Princip empörender Mißbrauch getrieben und die Deutschenhetze von den Ultra’s förmlich in Scene gesetzt wurde, sah Slomšek mit Schmerz zu welchen Verirrungen die fanatisirte Menge sich hinreißen ließ. Er warnte und ermahnte, von solcher Unduldsamkeit abzulassen und die deutsche Sprache als die Mutter der heutigen slavischen Cultur zu achten und auch ferner zu pflegen, wie er ja selbst noch als Bischof jahrelang Predigten in deutscher Sprache hielt und zuletzt alle seine Hirtenbriefe in beiden Sprachen, in der deutschen und slowenischen, obwohl er fast keine Deutschen in seiner Diöcese hatte, abfaßte. Als Schriftsteller bediente er sich aber ausschließlich der slovenischen Sprache. Die Gründe dazu sind eingangs dieser Lebensskizze angegeben worden. Alle Bemühungen des Autors derselben, bibliographisch genaue Titeln der Schriften Slomšek’s zu erlangen, blieben erfolglos. Daher fällt dieser Theil der Lebensskizze lückenhaft genug aus. Ein großer Theil der Arbeiten Slomšek’s ist in dem im Jahre 1846 begründeten slovenischen Jahrbuch Drobtince, d. i. Brosamen, enthalten, sie sind meist pastoralen und biographischen Inhaltes, und S. blieb die Seele des von ihm in’s Leben gerufenen Unternehmens auch, nachdem er die Redaction in andere Hände gelegt hatte; dann schrieb er eine Anleitung für Lehrer und Katecheten, ein Werk, das noch jetzt allgemein bewundert und als ein pädagogisches Musterbuch bezeichnet wird; – eine slovenische Sprachlehre unter dem Titel: „Pervi ucitel slovenskega jezika“, d. i. Der erste Lehrer des Slovenischen; – zwei Andachtsbücher: „Angelj molitve“ und „Sveto opravilo za šolarje“. Als er noch einfacher Seelsorger war, gab er, außer kleineren Volksschriften, deren Titel ich nicht erfahren konnte, heraus: „Ahacelnova pesmi“, d. i. Ahacel-Lieder, eine Reihe von Liedern zum Andenken des Professors [BLKÖ:Achazel, Mathias|Achazel]] [Bd. XI, S. 350] so genannt, von denen viele in den Volksmund übergegangen sind und die Schrift „Evangelska krana“, d. i. Evangelische Nahrung, ein homiletisches Werk in 3 Bänden, ein Werk voll evangelischer Weisheit und Einfachheit, das dem Autor die erste Stelle unter den Kanzelrednern der Slovenen sichert; – „Mnemosynon Slavicum“ (1840), [153] eine Sammlung geistlicher Gelegenheits-Reden, und eine slovenische Uebersetzung des Rituals, zum Andenken für seine Zöglinge herausgegeben, als er von seiner Stelle als Spiritual des Klagenfurter Seminars auf seine ihm eben verliehene Pfarre nach Saldenhofen überging; – „Apostolska hrana“, d. i. Apostolische Nahrung, gleichfalls ein homiletisches Werk in 3 Bänden; – „Blaže a Nežica v nedeljski šoli“, d. i. Blasius und Agneschen in der Sonntagsschule, ein pädagogisches Werk, einzig in seiner Art, das in kurzer Zeit vier Auflagen erlebte und den Ruf seines Autors weit über das Weichbild seines unmittelbaren Schaffens in alle slavischen Lande und selbst bis nach Moskau trug; – „Mluvnice slovinsko-německa“, d. i. Slovenisch-deutsche Sprachlehre; – „Šola vešela lepega petja“, d. i. Schule des frohen und schönen Gesanges (1853); S. hatte schon in den oberwähnten „Droblince“ eine Reihe weltlicher und geistlicher Lieder veröffentlicht und dazu auch die Compositionen, denn er selbst war ein geschulter Musicus, beigegeben. Als eine Ergänzung dieser Lieder ist diese selbstständige Sammlung anzusehen; – „Pisně při odpoledních službach Božich“, d. i. Gesänge beim nachmittägigen Gottesdienste (1861); – „Ponovilo“, d. i. Erneuerungsbuch und „Krotko vodilo“, d. i. Kurzer Leitfaden, zwei Hilfsbücher[WS 4], geschrieben zu leichterem Verständniß der neueren Lehrbücher, beide 1861 herausgegeben; – „Zivljenje Svetnikov“, d. i. das Leben der Heiligen. In zwei Theilen. So unvollkommen vorstehende Uebersicht erscheinen mag, es dürfte kaum eine seiner wichtigeren Schriften fehlen. Als er noch Domherr und Schul-Oberaufseher in St. Andrä war, hatte er die Absicht, einen Verein zur Herausgabe guter slovenischer Bücher zu gründen; die Bewilligung dazu soll jedoch behördlich abgelehnt worden sein. Als Bischof organisirte er zu St. Andra aus seinen Einkünften im Alumnate einen vierten Jahrgang und zu Marburg gründete er ein vollständiges Seminar für arme Studirende, errichtete er zu Klagenfurt das Maximilianum zu Marburg das Victorinum; im Jahre 1855 gründete er den Verein der HH. Cyril und Methodius, dessen Ziele auf eine Vereinigung sämmtlicher Slavenstämme gerichtet sind. Es ist nur noch Weniges hinzuzufügen. In seinen letzten Lebensjahren unternahm noch S., wie jeder Bischof kanonisch dazu verhalten ist eine Reise nach Rom, von der er einen nachhaltigen Eindruck mit nach seiner Heimat gebracht hatte. Nun nahm er mit erneuertem Eifer seine oberhirtlichen Arbeiten wieder auf, auf seinen kirchlichen Visitationen aber verabschiedete er sich im Gefühle seines baldigen Hinscheidens. Noch wohnte er im September zu Sauerbrunn den Exercitien seines Clerus bei, hielt hier abwechsend in beiden Landessprachen eine ergreifende Rede wider den falschen Nationalitäten-Cultus, zu brüderlichem Zusammenwirken der Deutschen und Slovenen mahnend, dann trat er seine Heimreise an, auf welcher er sich noch der anstrengenden Ceremonie einer Kirchen-Einweihung unterzog. In seiner Residenz Marburg war er noch gesund eingetroffen. Aber schon am nächsten Tag des Nachmittags befiel ihn sein schmerzliches, durch eine Darmverschlingung veranlaßtes Leiden, dem er schon nach zwei Tagen unter ununterbrochenen Gebetübungen, im Beisein des Capitels, mehrerer anderer Priester und seines ganzen in Thränen aufgelösten Gesindes, erlag. Von seinen letzwilligen Verfügungen, die er an seinem letzten Geburtstag, am 26. November 1861, niedergeschrieben, [154] seien nur die folgenden zwei Puncte hervorgehoben: daß seine irdische Hülle in einem einfachen Sarge von unpolirtem welchen Holze auf jenem Friedhofe begraben werde, in dessen Pfarrbezirk er sterbe; und daß er seinen rechtmäßigen Nachfolger im Bisthum Lavant zu seinem Universalerben einsetze, weil er seine Habseligkeiten nur von dem Bisthum habe und um den Ausfall zu vergüten, den das verhältnismäßig nur gering dotirte Bisthum Lavant durch die Uebertragung des bischöflichen Sitzes nach Marburg, eben erlitten hätte. Slomšek’s Andenken lebt fort als das des „Apostels der Slovenen“.

Kosar (Franz), Anton Martin Slomšek, Fürstbischof von Lavant, dargestellt in seinem Leben und Wirken von ...... (Marburg 1863, Fr. Leyrer, 8“., mit Porträt). – Kosar (Franz), Anton Martin Slomšek, knez in vladika Lavantinski .... Njeh zwljenie in apostolsko delovanje, d. i. Anton Martin Slomschek; Fürstbischof von Lavant .... Sein Leben und apostolisches Wirken (Marburg, Tonzic, o. J. [1863], 8°.), [Ein Separatabdruck aus den „Drobtince“ 1863.] – Oesterreichische Revue (Wien, gr. 8°.) 1863, VI. Bd., S. 77 u. f.: „Anton Martin Slomšek... Ein Charakterbild aus Oesterreichs Süden.“ Von J. B. von Hoffinger. 1862, Nr. 53, im Feuilleton: „Anton Martin Slomschek“. [Daselbst wird sein Geburtsort „Ponickl“ genannt und nach diesem ist Slomšek am 24. September 1862 81/2 Uhr Abends gestorben]. – Katholisches Blatt aus Mähren (Brünn, gr. 4°.) 1851, Nr. 40: „A. M. Slomschek“. – Telegraf (Gratzer Localblatt) 1863, Nr. 198, im Feuilleton: „Eine Würdigung des Lebens des hochw. Fürstbischofs A. M. Slomschek“. [Die daselbst auf den verewigten Kirchenfürsten geworfenen Schatten, die aus dem Lager seiner Gegner auf ihn fallen, sind nur zu leicht als das Werk der Partei zu erkennen und lassen das sonnige Licht seines Schaffens um so heller erglänzen.] – Das Vaterland (Wiener polit. Blatt) 1862, Beilage zu Nr. 210, 226 und Nr. 242 und Beilage. – Salzburger Kirchenblatt. Neue Folge. Zweiter Jahrgang (1862) Nr. 46. – Kleines biographisches Lexikon, enthaltend Lebensskizzen hervorragender, um die Kirche verdienter Männer (Znaim 1862, M. F. Lenk, 8°.) S. 125 u. f. – Presse 1862, Nr. 158, in der „Kleinen Chronik“. [Eine Stelle aus seinem 1862 vor seiner Abreise nach Rom erlassenen Hirtenbriefe, welche des Fürstbischofs politische Stellung beleuchtet.] – Světozor (Prager illustr. Blatt, kl. Fol.) 1872, Nr. 36 u. 37: Anton Martin Slomšek.
Porträte. 1) Unterschrift: Facsimile des Namenszuges Antonius Martinus Slomšek, Stich und Druck der Kunstanstalt des österr. Lloyd in Triest (8°., 4°., auch wenige Exemplare, in kl. Fol.); – 2) Holzschnitt nach dem vorigen Stahlstich, gezeichnet von Jos. Mukarovsky im „Světozor“ 1872, Nr. 36; – 3) Lithographie von Hanson (Klagenfurt, Fol.).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Franz Xaver Kuttnar (Wikipedia).
  2. Vorlage: [Bd. XXXIII, S. 58].
  3. Vorlage: socher.
  4. Vorlage: Hifsbücher.