BLKÖ:Toscana, Leopold II. Großherzog

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 46 (1882), ab Seite: 193. (Quelle)
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Toscana, Leopold II. Großherzog (geb. 3. October 1797, gest. zu Rom 29. Jänner 1870). Ein Sohn des Großherzogs Ferdinand III. aus dessen erster Ehe mit Maria Ludovica Prinzessin beider Sicilien. Als Ferdinand III. am 18. Juni 1824 aus dem Leben schied, folgte ihm auf dem Throne von Toscana sein Sohn Erzherzog Leopold, als Zweiter dieses Namens, im Alter von 26 Jahren. Unter ernsten, von tüchtigen Lehrern geleiteten Studien brachte Leopold seine Jugend in Florenz und Wien, dann in Salzburg und Würzburg zu, in welch letzteren zwei Städten sein Vater die Regierung der nach denselben benannten neugeschaffenen Staaten übernommen hatte. Mit besonderer Vorliebe und glücklichem Erfolge verlegte sich der junge Fürst auf Physik und Technologie. Seine liebste Erholungslecture fand er in der italienischen Literatur, in welcher ihn der eigens nach Würzburg berufene bekannte Pisaner Universitätsprofessor [194] Bagnoli unterrichtete. Nach Toscana gekommen, studirte er mit Professor Quartieri Jurisprudenz und begann dann die Schriften und Werke Galilei’s und Lorenzo’s de’ Medici, genannt il Magnifico, zu sammeln und zu erklären. Die prachtvolle Ausgabe der Gedichte des Letzteren, mit welcher er im ersten Jahre seiner Regierung mit königlicher Freigebigkeit Toscana beschenkte, bewog die Akademie der Crusca, ihn unter ihre Mitglieder aufzunehmen. Unter seinen hohen Auspicien wurde viele Jahre später durch Eugen Albéri die Herausgabe der gesammelten Werke Galilei’s besorgt. Kaum hatte Leopold die nach dem Tode seines Vaters im Amte verbliebenen Minister, in erster Reihe den Grafen Fossombroni, einen Mann von großem Scharfsinne, ausgedehnten reellen Kenntnissen und langjähriger Erfahrung, bestätigt und zur erledigten Leitung der Finanzen den durch Rechtlichkeit des Charakters, durch Talent und Geschäftserfahrung im Lande bekannten Advocaten Campini berufen, als er zur Aufhebung der sogenannten Fleisch- und Schlachthaustaxe schritt, welche, auf das Fleischhauermonopol gegründet, die Landgemeinden des Florentiner und Pisaner Territoriums schwer belastete. Dieser erste Regierungsact war eine Bestätigung des ökonomischen Grundsatzes der Gewerbefreiheit und der freien Concurrenz. Kurze Zeit darauf setzte Leopold die Grundsteuer um den vierten Theil herab; und während er die Lasten des Staates verminderte, ließ er öffentliche Arbeiten in Angriff nehmen, welche einer der glänzendsten Seiten der Geschichte Toscanas angehören. Vor Allem sollte durch Trockenlegung der Sieneser und Grossetaner Maremma die Gesundung einer Provinz, welche eine Fläche von 912 Quadratmiglien umfaßt, herbeigeführt werden. Aber Leopold beschränkte sich nicht etwa auf die Anordnung dieses kolossalen Werkes, welches 1828 begann, sondern er nahm, nachdem er zu dessen Leitung berühmte Mathematiker berufen hatte, auch an deren Studien den lebhaftesten Antheil und überwachte fortwährend die Ausführung der Arbeiten, die er mit allen von der Wissenschaft und der ökonomischen Verwaltung anempfohlenen Mitteln förderte. Nachdem man die Luft durch Entsumpfung der Gründe gereinigt hatte, versuchte er Alles, um letztere fruchtbar zu machen. Auf zwei daselbst in seinen Privatbesitz gebrachten Domänen suchte er durch eigenes Beispiel zum Ackerbau und zur Viehzucht aufzumuntern, und dieses Beispiel ging nicht verloren. „Auf allen Seiten“, schrieb Salvagnoli im Jahre 1843, „verbreitete sich der Getreidebau in der Ebene, und die umliegenden Hügel wurden mit Weinreben, mit Maulbeer- und Olivenbäumen bepflanzt; auch die Schaf- und Pferdezucht ward nicht vernachlässigt. Von 1828 bis 1843 erhoben sich auf dem Maremmenlande 453 Häuser: der entsumpfte, dem Ackerbau zugeführte Boden betrug 62.768 Quadratjoch (quadrati agrari), von denen 950 mit Weinreben, 1713 mit Olivenbäumen und 58.104 nun mit Getreide bebaut wurden. Die Zahl der gepflanzten Weinstöcke belief sich auf 1,089.442; die der Olivenbäume auf 288.350, die der veredelten Olivenbäume auf 151.500 Stück. Große Sorgfalt verwendete man auf die Schafzucht, und sie trug reiche Früchte. Diese Verbesserung verdankt man ausschließlich der Erfahrung des Großherzogs, der schon im Jahre 1837 von seinen böhmischen Herrschaften nach einer seiner [195] Privatdomänen in der Maremma (Badiola) eine Heerde von 230 echten feinwolligen Merinoschafen bringen ließ. Diese waren dazu bestimmt, durch Kreuzung ihrer Zuchtwidder mit den einheimischen alten Schafracen letztere zu veredeln; daher wurden alle Widder der importirten Heerde zur Zucht an die verschiedenen Maierhöfe der Maremma verschenkt oder verkauft“. Um die Verkehrswege im Innern des neu gewonnenen Landes bequem zu machen, baute man verschiedene Straßen, und um dasselbe mit der Pisaner Provinz in Verbindung zu setzen, wurde die alte Via Aemilia des Scaurus restaurirt, erweitert und regulirt. Eine glückliche Folge der Umwandlung der Maremma war die bedeutende Entwicklung der Manufactur- und Handelsindustrie dieser Provinz; auch die metallurgische und mineralogische Industrie machte schnelle und riesige Fortschritte. Oft hatte man versucht, aus dem Borax, einem sonst nirgends in Europa vorkommenden Producte der Moräste von Montecervoli und Pomarance Nutzen zu ziehen. Da erfand der Franzose Larderel die Art, daraus sowohl das Boraxsalz als die Boraxsäure zu gewinnen; er wendete sich an die toscanische Regierung, die ihm ihren Schutz gewährte, und er erwarb sich und dem Lande große Reichthümer. Neuen Aufschwung nahmen die Alaungruben von Montioni, die Schwefelhütten von Pereta, die Antimonium- und die Kupferbergwerke von Monte Catini, Montieri und Rocca Federighi. Durch Leopolds Fürsorge blühte auch die Kupfergießerei bei Massa Marittima wieder auf. Treu dem Systeme der freien Concurrenz hob er das seit uralter Zeit vom Staate betriebene Monopol der Eisenindustrie, ebenso das Verbot der Einfuhr fremden Eisens auf. Die Regierung behielt die Bergwerke von Rio und die Hochöfen von Cecina und Follonica, wo die Eisenindustrie eine außerordentliche Entwicklung erreichte. „Schon im Jahre 1843“, schreibt obgenannter Salvagnoli, „nahm unser Toscana eine wichtige Stelle in der Eisenindustrie ein, denn es erzeugte etwa ein Drittheil des von ganz Italien in den Handel gebrachten Eisens. Und in zehn Jahren war eine Ortschaft entstanden dort, wo es früher nur wenige Hütten gab“. Nach Errichtung eines Ingenieurcorps und nach Organisirung des Wasser- und Straßendepartements ließ Leopold II. drei große Straßen über drei Joche der Apenninen eröffnen: deren eine Toscana mit der Lombardei und die beiden anderen über die Romagna das mittelländische mit dem adriatischen Meer in Verbindung brachten. Ein kolossales Werk war auch die Vergrößerung des Hafens von Livorno, wo man nach Austrocknung einiger naher Sümpfe zum Zwecke der Aufhebung der Zolllinie, welche die Stadt von deren Vorstädten trennte, die alten Befestigungen niederriß, und Alles durch eine starke, 33/4 Miglien lange Mauer mit fünf Thoren oder Zollschranken zu einem neuen Zollbezirk vereinigte. Darin befand sich das Land- und das Hafenzollamt nebst einem für die kleineren Schiffe bequemen Innenhafen. An Stelle der seit 1816 für Rechnung des Aerars mit geringem Erfolge arbeitenden Escomptebank wurde 1826 von einer Actiengesellschaft, an welcher der Staat gleichfalls betheiligt war, ein neues Bankinstitut errichtet, welches mit ausgiebigeren Mitteln der Industrie und dem Handel zu Hilfe kommen konnte. 1834 ging man mit der Anlegung eines neuen Katasters vor, in Folge dessen die neuen Gebäude auf [196] zehn Jahre Steuerfreiheit genossen. 1838 schritt die Regierung zur Reorganisation der Civil- und Strafgerichte, und zwar mit stets größerer Betonung der humanitären Ziele. Die Todesstrafe wurde immer mehr beschränkt. Bald folgte auch die Reorganisation der Universitäten Pisa und Siena. Erstere erhielt sechs neue Lehrkanzeln, auf welche man aus allen Theilen Italiens berühmte Gelehrte ohne Rücksicht auf deren politische Meinungen berief. In Pisa trat auch eine Lehrerbildungsanstalt ins Leben. Es ist bekannt, wie auf Befehl Leopolds II. Toscana an der von Champollion dem Jüngeren geführten französischen wissenschaftlich-literarischen Expedition nach Egypten und Nubien theilnahm. Der Großherzog beorderte zu derselben den Professor Rossellini mit drei fähigen Zeichnern und den berühmten Naturforscher Raddi. Die toscanischen Gelehrten zeigten sich nicht minder tüchtig als die Franzosen, und die Sammlung archäologischer Gegenstände, welche Rossellini heimbrachte, legte den Grund zu dem durch spätere Anschaffungen bereicherten egyptischen Museum. Unter den Auspicien Leopolds II. fand im Jahre 1839 in Pisa die Eröffnung des ersten italienischen wissenschaftlichen Congresses statt, bei welcher eine im Auftrage des freigebigen Großherzogs vom Bildhauer Demi ausgeführte Statue Galilei’s feierlich enthüllt wurde. Im Jahre 1841 versammelte sich der Congreß in Florenz, und der glänzende Empfang, welchen Leopold der gelehrten Gesellschaft bereitete, lebt noch in der Erinnerung manches überlebenden Mitgliedes derselben. Der vom großherzoglich toscanischen Hofe bei dieser Gelegenheit entfaltete Glanz bildete in jenen Tagen den Gegenstand, mit dem sich die italienische Presse hauptsächlich befaßte. In der Eröffnungsrede wurde Leopold als „der Große begrüßt, der an der Stätte, wo die ökonomischen Wissenschaften vom Throne herab die weisesten Gesetze dictirten, welche unseren Wohlstand schufen und die Bewunderung Europas hervorriefen, diese Congresse gründete und so in den Annalen der eigenen Regierung und der italienischen Geschichte eine ewig denkwürdige Aera inaugurirte“. Und Toscana machte nach allen Richtungen große Fortschritte. Im Jahre 1844 wurde die Eisenbahn zwischen Pisa und Livorno dem Verkehre übergeben, und später folgten auf diese andere wichtigere Strecken. 1847 besaß das Land vor allen anderen italienischen Staaten den elektrischen Telegraph. An die Abschaffung des Vorspannmonopols reihte sich die vervollkommnete Organisation der Strafanstalten die unter den Schutz der Regierung gestellte Errichtung von Sparcassen, welche besonderen Aufschwung nahmen. Als der Engländer Cobden, der große Begründer des Freihandels, im Jahre 1847 nach Italien kam, wurde er in Florenz, wie überall, ein Gegenstand großer Huldigungen. Bei dem von der Gesellschaft der Georgofili ihm zu Ehren veranstalteten Bankete hielt er eine Rede, in welcher er „sein persönliches Verdienst auf die Verbreitung der Theorien des Freihandels in England begrenzte und das Verdienst Jener viel höher anschlug, welche diese Lehren ein halbes Jahrhundert früher verbreitet und verwirklicht hatten“. In einer bei einem anderen Bankete gehaltenen Rede sagte ec: „Ich bereise nunmehr seit acht Monaten fast alle Länder Südeuropas und muß bekennen, daß ich den Zustand des toscanischen Volkes vorzüglicher finde als jenen aller anderen von mir besuchten Völker“. [197] So wurden damals die ruhigen, blühenden Zustände Toscanas von den Fremden bewundert und beneidet; allein auch diese glückliche Oase, wie sie Lamartine, welchen der Großherzog in seinen nächsten Umgang gezogen hatte, nannte, war von dem verderbenbringenden Sturme bedroht. Mit dem Rufe nach Reformen gelang es der Umsturzpartei, alle Völker Italiens aufzuwiegeln, und die väterliche Milde der Monarchen mißbrauchend, kam sie von Eroberung zu Eroberung rasch dazu, Mazzini auf das Capitol zu führen und Toscana die Dictatur Guerrazzi’s aufzuzwingen. Wir wollen diese in der Biographie Leopolds II. [Bd. VI, S. 442, Nr. 173] bereits erwähnten traurigen Ereignisse nicht wiederholen, nur sei es uns gestattet, darzulegen, daß der gute Fürst, als er von der Liebe seines Volkes auf den Thron zurückgebracht wurde, sich immer als der gnädige, liebevolle Vater von früher erwies. Großmüthig verzieh er jede Beleidigung und widmete sich ganz der Aufgabe, die dem Lande von dem verheerenden Sturme zugefügten Schäden gutzumachen. Man wollte ihm aus der Aufhebung der im Februar 1848 von ihm verliehenen Verfassung einen Vorwurf machen, vergaß aber dabei, daß dieselbe durch die Februar-Revolution des Jahres 1849 selbst abgeschafft worden war. Ihre Wiederherstellung erschien ihm unverträglich mit den alles eher als beruhigenden Zuständen des übrigen Italien, und wahrscheinlich hielt er sie nur entsprechend für den Fall der Wiedereinführung der Repräsentativregierung; er beschloß daher, das Statut zu widerrufen, nach dem Beispiele Oesterreichs, in welchem ebenfalls die 1849er Verfassung widerrufen worden war. Man rieth ihm, lieber das Beispiel des Königs von Neapel nachzuahmen, welcher das Statut vom Jahre 1848 nicht aufgehoben, sondern sistirt hatte; allein Leopold meinte, daß die Duldung einer früher rechtlich gegebenen, nur noch nominell bestehenden Verfassung, deren Wiederherstellung nicht möglich war, eine des Fürsten unwürdige, dem Volke gefährliche Täuschung wäre, welche bei letzterem unbegründete Hoffnungen nähren könnte. Wie viel noch, stets das wahre Wohl seiner Unterthanen im Auge, leistete er in den wenigen ihm noch gegönnten Regierungsjahren! Die Errichtung eines Rechnungshofes; ein neues Polizeireglement; ein neues Gemeindegesetz; eine Convention über die centralitalienische Eisenbahn; ein Staatscentralarchiv; die Stiftung einer Decoration für Verdienste um die Industrie; die definitive Reorganisirung des stehenden Heeres und die Gründung eines Militärlyceums; ein neues Strafgesetzbuch; neue Militärgesetzbücher; die Eröffnung eines technischen Institutes in Florenz; eine neue Bergwerksschule in Massa Marittima; eine Ackerbauausstellung; Escomptebanken in Florenz und Livorno; der Schifffahrtsvertrag mit England und Ausdehnung des mit Sardinien bestehenden; neue Organisirung der Kriegsmarine: alles hier Aufgezählte fällt in Leopolds II. letzte Regierungsjahre. Ein Gesetz vom Jahre 1856 vereinigte die beiden Universitäten von Pisa und Siena in eine Hochschule, um dadurch Lehreinheit und Ersparnisse zu erzielen; deswegen wurden aber die Studien nicht vernachlässigt. Ein Jahr darauf fand eine Reform des elementaren und des höheren Unterrichtes statt, durch welche das Unterrichtswesen nicht wenig gefördert ward. 1851 unternahm der berühmte Botaniker Parlatore im Auftrage des Großherzogs eine Reise in die [198] nordischen Regionen und veröffentlichte drei Jahre später die wissenschaftliche Beschreibung seiner Fahrt. Großartig war das Unternehmen der 1833 begonnenen Trockenlegung des Morastes von Bientina, und zugleich mit dem anderen nicht minder großen Werke des Hafens von Livorno war es der Vollendung nahe, als die vor langer Zeit im Geheimen vorbereitete Katastrophe vom 27. April 1859 Toscana traf. Im Augenblicke, wo der Großherzog, um beleidigenden Zumuthungen nicht nachzugeben, sein geliebtes Land verließ, beklagte er das traurige Loos seines Volkes: er fühlte sich vorwurfsfrei und konnte mit dem königlichen Gefangenen von Pavia ausrufen: „Tout est perdu hors l’honneur!“ Am 21. Juli 1859 dankte Leopold II. ab und verzichtete auf die Souveränitätsrechte, denen durch die Präliminarien von Villafranca nicht präjudicirt worden war, zu Gunsten des Erbgroßherzogs Erzherzogs, welcher den Namen Ferdinand IV. annahm. In das ruhige Privatleben sich zurückziehend, lebte nun Leopold auf seinen Domänen in Böhmen, insbesondere in der kleinen Stadt Schlackenwerth. Die treuherzige Herablassung, welche seiner Familie eigen ist, und das Interesse, welches er am Wohle Aller nahm, die ihm nahe standen, gewannen ihm das Herz jener schlichten Einwohner, welche, um ihm auf ihre einfache Art die Liebe und Verehrung, die sie für ihn hegten zu bezeugen, ihn zu ihrem Bürgermeister wählten. Und der gute Fürst verschmähte es nicht, ihrem Wunsche nachzukommen: er nahm das ihm angebotene Amt an und versah es gewissenhaft, überhäufte die Stadt mit Wohlthaten und trachtete dem ihm treu ergebenen Lande auf jede Weise zu nützen. So verbrachte er ein Jahrzehnt in jener Zurückgezogenheit, umgeben von der liebevollen Pflege der Familie, immer seinen Gleichmuth bewahrend, Alles mit christlicher Ergebung hinnehmend. Im November des Jahres 1869 begab er sich mit der Großherzogin-Gemalin nach Rom und wurde dort Anfangs Jänner 1870 von einer katarrhalischen Affection befallen, welche sich immer mehr verschlimmerte, bis er endlich in der Nacht vom 27. auf den 28. Jänner ihr erlag, nachdem er die Tröstungen der Religion empfangen hatte, von welcher alle Acte seines Lebens durchdrungen waren. Papst Pius IX. wohnte den Exequien des Verewigten in dessen Pfarrkirche, der Basilika der heiligen Apostel, bei, in welcher derselbe seinem Wunsche gemäß die ewige Ruhe fand. Leopolds Grabmal in einer Nebencapelle der Kirche Madonna dolorosa, über welche die vier Brüder Großherzog Ferdinand IV. und die Erzherzoge Karl Salvator, Ludwig Salvator und Johann Salvator das Patronat erwarben, wurde erst nach großen Schwierigkeiten und mit bedeutenden Kosten hergestellt. Zur Ergänzung des im Vorstehenden Gesagten sei noch eines nur wenig bekannt gewordenen und in neuester Zeit auch von einer Seite mit Absicht todtgeschwiegenen Umstandes gedacht, wie nämlich Großherzog Leopold II. der Lebensretter Victor Emanuels, nachmaligen Königs von Sardinien, ward. Karl Albert Prinz (später König) von Sardinien war mit Maria Theresia, Tochter des Großherzogs Ferdinand III. von Toscana vermält. Wegen seiner Theilnahme an der Revolution im Jahre 1821 mußte er aus Piemont fliehen, und da er vom Turiner Hofe verbannt blieb, suchte er Zuflucht bei seinem Schwiegervater dem Großherzog Ferdinand III. in Florenz und [199] fand auch daselbst mit seiner Familie gastliche Aufnahme und Schutz. Da ereignete sich Mitte September 1822 folgender Vorfall. Der anderthalbjährige Victor Emanuel (geb. im März 1821) befand sich mit seiner Mutter gerade in dem unweit gelegenen großherzoglichen Palaste Poggio Imperiale. Er schlief in seiner Wiege. Da nahte sich derselben die Amme Therese Rocca, verehelichte Zanotti, eine Frau von 26 Jahren, mit der brennenden Kerze in der Hand, um zu sehen, ob der Prinz schlafe. Dabei streifte sie mit dem Lichte den in der Nähe der Wiege befindlichen Vorhang, und mit einem Male standen Vorhang und Wiege in hellen Flammen. Die Amme schrie, während sie das Kind zu retten suchte, um Hilfe. Erbgroßherzog Leopold bemerkte, im Garten weilend, der Erste den Brand im Gemache seines Neffen, eilte hinauf und riß das Kind aus der Wiege, indeß der großherzogliche Lakai Mariotti, der dicht hinter ihm folgte, der Amme beisprang. Prinz Victor Emanuel hatte zwei Brandwunden erhalten, die eine an der Hand, die andere auf der linken Seite der Brust; die Amme aber war so stark verbrannt, daß sie nach mehreren Wochen ihrem furchtbaren Leiden erlag. Auch die Großherzogin, welche eben ein Kind unterm Herzen trug, war herbeigeeilt, doch blieb der heftige Schreck, von dem sie ergriffen wurde, ohne schlimme Folgen für ihren Zustand. Dem Gatten der Amme verlieh Karl Albert eine lebenslängliche Pension. Im Jahre 1860 ließ der damalige Minister Baron Ricasoli einen Denkstein in jenem Zimmer anbringen, in welchem Victor Emanuel das Leben gerettet wurde, und dieser selbst gewährte, bei seiner Anwesenheit in Florenz im gleichen Jahre, dem Lakai Mariotti eine Gnadengabe. Auf dem Denkstein aber ist des Antheils, den Erbgroßherzog Leopold II. an der Rettung seines Neffen hatte, nicht gedacht! Dagegen meldet die Geschichte, mit welchem Dank Victor Emanuel diese That seinem Lebensretter vergalt, der sich ja durch ihn aus dem Lande seiner Väter getrieben sah. In einem kurzen, aber warmempfundenen Gedichte erzählt uns Karl Graf Coronini das denkwürdige Ereigniß, welches wir eben berichtet haben. Großherzog Leopold II. hatte sich zweimal vermält: am 16. November 1817 mit Maria Anna Carolina (geb. 16. November 1799, gest. 24. März 1832), Tochter des königlichen Prinzen Maximilian von Sachsen; am 7. Juni 1833 mit Maria Antonia (geb. 19. December 1814), Tochter des Königs Franz I. von Sicilien. Seiner ersten Ehe entsproßten zwei Töchter: Erzherzogin Maria Carolina (geb. 19. November 1822, gest. 5. October 1841) und Erzherzogin Auguste Ferdinande (geb. 1. April 1825), am 15. April 1844 dem Prinzen Luitpold von Bayern vermält und am 26. April 1864 gestorben [S. 170]. Seiner zweiten Ehe entstammen vier Söhne: Ferdinand IV. [S. 177] (geb. 10. Juni 1835), Großherzog von Toscana vom 21. Juli 1859 bis zur Vereinigung Toscanas mit Sardinien durch Decret vom 22, März 1860; Ferdinands IV. Familie siehe in dessen Lebensskizze; Karl Salvator (geb. 30. April 1839), vermält am 19. September 1861 mit Maria Immaculata Clementina (geb. 14. April 1844), Tochter König Ferdinands II. beider Sicilien; der Familienstand des Erzherzogs Karl Salvator ist aus dessen Lebensskizze [S. 188] ersichtlich; Ludwig Salvator (geb. 4. August 1847) [S. 202] [200] und Johann Nepomuk Salvator (geb. 23. November 1852) [S. 185] und zwei Töchter: Maria Isabella (geb. 21. Mai 1834) [S. 217], vermält am 10. April 1850 mit Franz de Paula Prinzen beider Sicilien Grafen von Trapani; und Maria Louise (geb. 31. October 1845) [S. 217], vermält am 31. Mai 1865 mit Karl Fürsten zu Isenburg-Birstein.

Oesterreichisch-ungarische Wehr-Zeitung (Wien, kl. Fol.) 1870, Nr. 13: „Nekrolog“. –Neue Freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1870, Nr. 1946, in der „Kleinen; Chronik“. – Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1833, Nr. 158: „Werbung“; Nr. 160: „Ankunft des Großherzogs in Rom“; Nr. 168: „Vermälungsanzeige aus Florenz“; Nr. 174: „Abfahrt des Brautpaares aus Neapel“; Nr. 180: „Vermälungsfeierlichkeiten m Neapel“; Nr. 183: „Dieselben in Florenz“; 1870, Nr. 33: „Hoftrauer in Oesterreich“; Nr. 34: „Hoftrauer in Florenz“; Nr. 36: „Todesanzeige aus Rom“; Nr. 37: „Victor Emanuel und der Erb-Großherzog von Toscana“; Nr. 40: „Requiem in Rom“; Nr. 41: „Aus Florenz: Ex-Großherzog Leopold II.“; Nr. 50: „Großherzog Leopold II. (Nachruf aus Florenz“; 1876, Beilagen Nr. 128, 129, 130, 179 u. f.: „Gesellschaft und Hof in Florenz unter Franz II. und Leopold II. von Lothringen-Habsburg“ [von Reumont?]. – Wiener Zeitung, 1833, Nr. 128: „Aus Toscana. Eheverlöbniß-Anzeige“; Nr. 134: „Ankunft in Rom“; Nr. 140: „Ankunft in Neapel“. – Wiener Abendpost, 1870, Nr. 26: „Hoftrauer in Florenz“. – Gli Austriaci in Toscana, Ricordi storici del 1849 (Roma 1879, Tipographia Forzani, 8°.) [vergleiche darüber: „Allgemeine Zeitung“, 1879, Beilage Nr. 128]. – Sommer (Wenzel P.). Kurze Geschichte der Stadt Schlackenwerth in Verbindung mit dem Piaristen-Collegium. Nebst Anhang: Der große Brand am 9. Mai 1866 (Schlackenwerth 1866, Selbstverlag des Verfassers, 8°.). [Enthält viele Notizen über die segensreiche Wirksamkeit des Großherzogs Leopold II. und seiner Familie in Schlackenwerth,] – La Pia. Leggenda romantica di B. Sestini. Preceduta da una notìzia sulle Maremme toscane (Firenze 1846, Stabilimento Chiari, gr. 4°.). [Diese anläßlich der Austrocknung der Sümpfe in Toscana erschienene Festschrift enthält als Vorwort eine ausführliche Darstellung der Maremmen daselbst und eine Carta geometrica delle Maremme toscane sulla proporzione di a 510 mila, lithographirt auf Stein von F. Charpentier. Dieser historischen Skizze folgt B. Sestini’s romantische Legende: „La Pia“ in drei Gesängen, mit lithographirten Abbildungen.] – Prince Henry de Valori. Petites pages d’histoire (Paris 1881, G. Téqui, 8°.) p. 253 jusqu’à 268: „Florence. Le grand-duc de Toscane“. – Il divin Salvatore. Settimana religiosa di Roma. Anno XVIII, Nr. 92, 16 Agosto 1882, p. 1468 et sequ. „Lettera di Leopoldo II. granduca di Toscana al suo pronipote Umberto I su Arnaldo da Brescia“. – Ueberdies enthalten die politischen Memoiren von Lamartine, von Fossombroni, Helfert’s „Königin Carolina von Neapel und Sicilien“, Colletta’s „Storia del Reame dì Napoli dal 17534–1825“ Vieles und Interessantes über Großherzog Leopold II. und seinen Hof. – Gazzetta d’Italia (Roma, gr. Fol.) Anno I, 20 Gennaro 1878, im Artikel: „Vittorio Emanuele“ im Abschnitte III: „Puerizia“ befindet sich die Geschichte vom Brande im Poggio Imperiale. Bemerkenswerth ist der Druckfehler in der Jahreszahl der Zeitung. denn statt 20 Gennaro 1878 steht: 20 Gennajo 1788. – Teuffenbach (Albin Reichsfreiherr von). Vaterländisches Ehrenbuch. Poetischer Theil (Salzburg 1879, Dieter, gr. 8°.) S. 755: „Der Wahrheit die Ehre“. Von Karl Grafen Coronini.
Porträte. 1) Holzschnitt von Geoffroy mit der Unterschrift: „Leopold II., archiduc d’Autriche grand-duc de Toscane, né le 3 Octobre 1787, grand-due le 18 Juin 1824“. – 2) Bolt sc. (8°.). – 3) N. Melini del. L. Rados sc. (Fol., Halbfigur). – 4) P. Ermini d. A. Perfetti sc. (Fol.). – 5) Nach Bezzuoli gestochen von Toschi (Florenz, gr. Fol.). – Porträte von des Großherzogs erster Gemalin Maria Anna Carolina Prinzessin von Sachsen: 1) nach G. Martinelli gestochen von Perfetti (Florenz L. Bardi, Fol.); 2) gestochen von H. Schmidt (Leipzig, Göschen, gr. 8°.). – Porträt von des Großherzogs zweiter Gemalin Maria Antonia königlicher Prinzessin [201] von Sicilien. Nach Bezzuoli gestochen von Testi (Florenz, L. Bardi, Fol.). – Porträt von Großherzog Leopolds II. Schwester: Maria Louise, Aebtissin des Prager adeligen Fräuleinstifts. Gestochen von Anderloni (Florenz, L. Bardi, Fol.).