BLKÖ:Zichy-Vásonykeő, Eugen Graf (1809–1848)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 60 (1891), ab Seite: 16. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
in der Wikipedia
Eugen Zichy-Vásonykeő in Wikidata
GND-Eintrag: {{{GND}}}, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Zichy-Vásonykeő, Eugen Graf (1809–1848)|60|16|}}

Zichy-Vásonykeő, Eugen Graf (ein Märtyrer der ungar. Rebellion 1848, geb. 25. September 1809, hingerichtet auf Befehl Görgey’s am 30. September 1848), vom II. Zweige der Karlsburger Linie. Der zweitjüngste Sohn des Grafen Franz aus dessen zweiter Ehe mit Maria Dominica Gräfin Lodron-Laterani und Bruder der Grafen Dominik [S. 13] und Edmund [S. 14] gehörte er in früherer Jugend der ungarischen Oppositionspartei an, als aber die Ziele derselben, das gesetzliche Band, das Ungarn an den Gesammtstaat knüpft und für beide die Bedingung gedeihlichen Bestandes ist, zu zerreißen, offenbar wurden, als der Terrorismus, [17] die Unduldsamkeit, mit der man alle anderen Meinungen unterdrückte, die Rohheit, die hochmüthige Unwissenheit, die mehr als zweifelhafte Moralität einiger der Führer, unter denen es notorisch bekannte Fälscher und Betrüger gab, sich immer dreister offenbarten, ging er, von Ekel über solches Treiben erfüllt, zur conservativen Partei über, der er dann als Mitglied der Magnatentafel und später auch in amtlicher Stellung als Administrator des Weißenburger Comitates angehörte. In letzterer Eigenschaft verfolgte er mit rücksichtsloser Schärfe die Mißbräuche der Comitatsverwaltung, die Nachlässigkeiten und Betrügereien der Beamten; mit Entschiedenheit und oft drolligem Humor trat er den Bestrebungen der adeligen Proletarier entgegen, die als Comitatsbeamte, Advocaten den Kern der radicalen Partei bildeten. Schonungslos griff er die Großmuth jener an, die stets bereit waren, aus fremdem Säckel freigebig zu sein oder aus fremder Haut Riemen zu schneiden, und verschonte keineswegs die moralische Armseligkeit mancher seiner Standesgenossen, die zwischen einem Spazierritte und einem Balle mit demselben Leichtsinne revolutionirten, mit dem sie allenfalls Karten spielten, und den Umsturz der bestehenden Verhältnisse ihres Vaterlandes als Gegenstand der Mode, der Unterhaltung und des unreifen Enthusiasmus behandelten. Damit aber soll keineswegs bestritten werden, daß ein Theil der ungarischen Opposition von edleren und ernsteren Motiven geleitet wurde, daß sie tüchtige Capacitäten und ehrenwerthe Charaktere in ihren Reihen zählte. Der Graf hatte nach Bildung des Ministeriums Batthyányi seine amtliche Stellung aufgegeben und lebte in stiller Zurückgezogenheit auf seiner Besitzung. Schon hatte die verhängnisvolle Sitzung vom 21. September 1848 stattgehabt und in derselben Kossuth die Revolution offen declarirt, den Landesvertheidigungsausschuß eingesetzt und dieser 200.000 Mann und 42 Millionen Gulden zur Rettung des bedrängten Vaterlandes votirt. So standen die Dinge, als gegen Ende September der Ban von Croatien mit seinen Truppen in Weißenburg erschien. Es ist nicht Aufgabe dieses Werkes, die Aufregung zu schildern, welche der Einmarsch des Ban im Lande verbreitete. Der Graf war immer noch so viel Ungar, um diesen Einmarsch zunächst als eine nicht zu verhindernde Thatsache entgegenzunehmen. Die Begegnungen mit dem Ban, die rein zufällige waren und sich unter diesen Umständen auf gewöhnliche Höflichkeitsacte beschränkten, sollten ihm aber verderblich werden. Obwohl er wußte, wie man den Haß gegen ihn schürte, wie man seine Unterthanen gegen ihn aufwiegelte, konnte er sich, trotz des ihm von vielen Seiten ertheilten Rathes, sich zu entfernen, doch nicht entschließen, Haus und Hof zu verlassen, da er seine Unterthanen bei den unter den damaligen Verhältnissen unvermeidlichen Bedrückungen der vordringenden Truppen durch seine Anwesenheit am besten zu schützen glaubte. Und nur aus diesem Grunde erbat er sich einen Geleitsbrief vom Ban zum Schutze gegen die nachrückenden Truppen des Generals Roth. Dieser Geleitsbrief war aber sein Verderben. Als er mit demselben nach Kaloz auf sein Landgut zurückfuhr, wurde er vom Landsturme aufgegriffen und von Görgey, der, damals ein einfacher Honvédmajor, seine Rebellenschwingen zu prüfen begann, vor ein Kriegsgericht gestellt. Schon die Zusammensetzung [18] desselben ist eine so bezeichnende, daß wir sie angeben müssen. Der Vorsitzende war Görgey, dessen Mitrichter ein ehemaliger Wirthschaftsbeamter, Namens Szalay, den der Graf wegen Betrugs entlassen, dann ein Mann, Namens Zopf, den er und seine Brüder auf ihre Kosten hatten erziehen lassen, und dessen Mutter noch eine Pension von ihm bezog. Sein Geleitsbrief wurde zum Beweise des Landesverraths gestempelt! Seine Bitte, wenigstens den Tod des Kriegers durch Pulver und Blei sterben zu dürfen, abgewiesen und er ohne Beweis für eine willkürlich als Verbrechen bezeichnete Handlung zum Strange verurtheilt. Aber die Aeußerung eines seiner Richter: „Du sollst den Tod der Diebe sterben“, die an den Vorwurf des Diebstahls und Betrugs erinnert, den der Graf mit vollem Rechte gegen Madarasz und ähnliche Genossen vorgebracht, stempelt dieses Gericht als einen Racheact, welcher dem Vorsitzenden desselben ein unauslöschliches Brandmal aufdrückt. Das Urtheil ward in schimpflichster Weise vollzogen. Als der Graf kurz vor dem Morde, der am Abend mit allen Greueln einer Rebellenjustiz in Scene gesetzt wurde, noch den Major Görgey sprechen wollte, war derselbe nicht zur Stelle! Die Quellen, welche über diese Schandthat der Rebellion ausführlich berichten, werden unten alle ohne Unterschied der Parteien angeführt. Dieser Mord hatte die ganze ungarische Aristokratie eingeschüchtert. Zichy’s Tod war es, der den größten Einfluß auf das Verhalten eines großen Theiles des magyarischen Adels hatte. Es ist keine Frage, daß ohne diesen Fall die ungarische Revolution viel edle Namen weniger in ihren Reihen gezählt hätte.

Die Capelle zum Andenken des an den Grafen Eugen Zichy verübten Mordes. Diese wurde im Auftrage des Kaisers Franz Joseph auf der Insel Csepel nächst der Ortschaft Loré, welche den Platz bezeichnet, wo Graf Eugen Zichy in treuer Hingebung für seinen Monarchen den Märtyrertod erlitten, erbaut und am 15. November 1859 feierlich eingeweiht. Im gothischen Style erbaut, ist sie nicht mit Mörtel angeworfen, auch nicht übertüncht, so daß das solide zum Theil massive Material, rein behauene Steine und Ziegelsteine, ihr ein würdiges Aussehen verleiht. Die Andachtsstätte ist auf erhöhtem Punkte gelegen und weit sichtbar. Der aus ganz gemeißeltem Stein erbaute Thurm trägt eine klangreiche Glocke. Ueber dem kunstreich geschnitzten Portal liest man in lateinischer Sprache folgende Inschrift: Franz Joseph, Kaiser und Apostolischer König, erbaute dieses Gotteshaus zum Andenken des am 30. September 1848 wegen seiner treuen Hingebung an seinen Regenten gemordeten Grafen Eugen Zichy. Auch das Innere der Kapelle ist gothisch gehalten. Auf dem Altar prangt zwischen zwei Säulen und vier reich vergoldeten Leuchtern ein vergoldetes Crucifix in Lebensgröße, auf welches durch ein mit bunten Farben bemaltes Fenster die Sonne ihr Licht ergießt. Alljährlich am Sterbetage des edlen Grafen wird an dieser seinem Andenken geweihten Stätte eine Messe gelesen.
Helfert (Jos. Alex. Freih. v.). Der ungarische Winter-Feldzug und die octroyirte Verfassung December 1848 bis März 1849 (Prag 1876, Tempský gr. 8°.) I. Theil., S. 266, 267 und Anhang S. 112. – Janotyckh von Adlerstein (Joh.). Die letzten zwei Jahre Ungarns. Chronologisches Tagebuch der magyarischen Revolution (Wien 1850 u. f., J. P. Sollinger’s Witwe, 8°.) Bd. III, S. 265. – Oesterreichischer Courier (vormals Bäuerle’s „Theater-Zeitung“) 27. Jänner 1849, Nr. 43, S. 90: „Nekrolog. Graf Eugen Zichy“ [aus der „Wiener Zeitung“]. – Reisinger (Dr.). Politische Bilder aus Ungarns Neuzeit (Hamburg 1849, Hofmann und Campe, 8°.) S. 161. – Die Wage (Prager Blatt, 8°.) 20. October 1849, Nr. 96: „Der Proceß wider den Grafen Eugen Zichy“. – Wanderer. Redigirt von Ferd. Ritter von Seyfried (Wien, Sommer, Fol.) 11. October 1849, S. 1661: [19] „Der Tod des Grafen Eugen Zichy“. – Országos Honvéd naptár (Pesth 1869) S. 130: „Gr. Zichy Ödön kivégeztetéséröl rövid kivonat 1848 sept. 30“.
Porträt. Kriehuber lithogr. (Wien 1849, Neumann, Fol.).